Irgendwo in Stuttgart, sehr ländlich und doch mitten in der Stadt, da wo es nur Privatgrundstücke gibt, z.B. Bauernhof, Reiterhof, Schrebergärten und Vereinsgelände. Da leben sie: viele herrenlose und verwilderte Hauskatzen, die sich sprunghaft vermehren und sich selbst überlassen sind. Gelegentlich gibt es irgendwo Futter, aber das ist es dann auch schon. Es gibt fast nur junge Tiere, kaum eines ist älter als zwei Jahre, was durch Studien belegt ist, denn freilebende Katzen haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von maximal drei Jahren!
Irgendwo in Stuttgart, wo eigentlich niemand findet, dass man herrenlose Katzen kastrieren sollte. Der Bauer, von dessem Hof sie wohl alle stammen, hat sowieso kein Problem damit. Er hat nie mehr als 10 Stück. Wenn das Revier für überzählige Tiere zu klein wird und sie in die Nachbarschaft abwandern und sich dort weitervermehren, ist ihm das allemal egal. Das ist eben die Natur. Das war schon immer so. Und niemand ist bereit, mir Zutritt zu dem Gelände zu ermöglichen.
Und trotzdem werde ich sie kastrieren. Nachts werde ich sie einfangen. Immer in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Wobei eigentlich? Was ist mein Verbrechen? Dass ich das Elend der herrenlosen Tiere eindämmen möchte? Ich bin mir nicht sicher, welcher Straftatbestand erfüllt ist, wenn ich nachts ohne Erlaubnis der Grundstückseigentümer auf deren Grundstück Katzen einfange. Aber es ist mir klar, dass ich mich besser nicht erwischen lasse.
Nachts stelle ich die Fallen auf, die ich erst einmal 300 m durch den Wald schleppen muß. Meinem vegetativem Nervensystem gefällt es nachts nicht so sehr im Wald. Zumindest hat mir das meine Blase gesagt. Natürlich gehören die roten Augen auf dem Waldboden irgendeinem Tier. Meine Blase ist sich da allerdings nicht so sicher. Und ich werde nie wieder die Doku-Reihe "Autopsie" ansehen, bevor ich nachts losziehe. Ab ca 1:00 Uhr stelle ich die Fallen, gegen 3:00 Uhr kontrollieren und dann um 5:00 Uhr alles abräumen. So fange ich jede Nacht 2 bis 3 Tiere. Auf gar keinen Fall darf ich verschlafen, wenn die Fallen noch draußen stehen. Das wäre eine Katastrophe.
Die Katzen springen mir nur so in die Falle. Frau M. nimmt mir auf einen Schlag 7 Stück ab, bringt sie zum Tierarzt und verwahrt sie, bis ich mit der Aktion fertig bin. Eine unermaßliche Hilfe. Man muss erst alle Tiere wegfangen, bevor man die ersten wieder freilässt. Und man darf erst mit der Aktion aufhören, wenn man mindestens ein bis zwei Nächte nichts mehr gefangen hat. Ziel ist es, möglichst alle Tiere zu bekommen und einen Überblick zu haben.
So langsam bekomme ich es mit der Angst zu tun. Erst nach der 14. Katze geht nichts mehr in die Falle. Das heißt: 14 verwilderte Hauskatzen verwahren. Die kann man nicht einfach in der Wohnung oder im Katzenzimmer laufen lassen. Sie werden in der Zwischenzeit in Käfigen gehalten. Es geht nicht anders. Eine schier unerträgliche Situation. Morgens, wenn ich ohnehin schon ziemlich erschöpft bin, heißt es erst einmal: "Großeinsatz im Katzenzimmer". Der Duft der unkastrierten Kater ist sehr gewöhnungsbedürftig. Sie pinkeln quasi im Stehen aus dem Käfig raus, so nach dem Motto: wer kann am Weitesten. Dabei sind alle ganz gut.
Wenn man mit einer Fangaktion begonnen hat, muss man sie zügig durchziehen. Und gerade jetzt erwischt mich ein Virus. Ich bin geschwächt und kann die Fallen kaum noch tragen. Fieberschübe und Schweißausbrüche machen mir schwer zu schaffen. Aber es muss weitergehen!! Und dann passiert es. Kurz nach Mitternacht. Ein Scheinwerfer nähert sich mir mit enormer Geschwindigkeit. Ein Suchtrupp? Nein. Ein Fahrradfahrer mit Lampe auf dem Kopf, der vor mir mehr Angst hat, wie ich vor ihm. Als er mich sieht, hat er es plötzlich sehr eilig. Und überhaupt: was tut der eigentlich nachts im Wald?
Wir verteilen die Katzen auf drei Tierarztpraxen, weil man eine einzige Praxis kaum mit 14 Stück auf einmal erschlagen kann.
Bilanz der Fangaktion:
Ich bedanke mich bei den vielen unzähligen Helfern, Sponsoren und Sympatisanten, ohne deren Hilfe dies nicht möglich gewesen wäre.